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Interview mit Prof. Dr. Turina kurz vor dem Fall Voser

Jetzt, nachdem sich nach 3,5 Jahren die NZZaS öffentlich entschuldigt bei Prof. Dr. Turina, was auch die anderen Schweizer Medien dazu bewegen könnte, bringen wir für Portal-Leser ein Interview mit Prof. Dr. Turina aus der Libra Nr. 7, aufgenommen kurz vor dem Fall Voser:

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Interview: Prof. Dr. Marko Turina

DHör 39: Turina

 

Prof. Dr. Marko Turina, führender Herzchirurg und Wissenschaftler, wurde in Zagreb geboren. Das Medizinstudium absolvierte er in seiner Geburtsstadt und kam anfangs der sechziger Jahre nach Zürich. Er ist Vorsteher der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsspital Zürich, die jedes Jahr über 1400 verschiedene Operationen am offenen Herzen durchführt, darunter sind viele Kinder mit angeborenen Herz- und Gefäßmissbildungen. Einmal sagte er: „Kinder-Herzchirurgie ist die Königsdisziplin unseres Faches, weil vom operierenden Arzt höchste Präzision verlangt wird.“ Unter seinen Händen haben einige hundert Menschen ein neues Herz bekommen. Zwei Jahre übte Prof. Turina auch die Pflichten des Dekans an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich aus. Die medizinischen Forschungsarbeiten gehören ohnehin zu seinem Alltag. Sein Engagement für seine Heimat Kroatien nach Ausbruch des Krieges war bemerkenswert. Unsere Mitarbeiterin hat mit ihm nach einer langen Wanderung durch die Gänge des Universitätsspitals Zürich, in seinem Arbeitszimmer, angeschrieben mit einem einfachen „DHör 39: Turina“, gesprochen.

Was bedeutet für Sie die bevorstehende Pensionierung?

Als erstes, muss ich mein Arbeitskabinett räumen, aber ich bekomme ein Zimmer wo ich die wissenschaftliche Arbeit und ähnliche Aktivitäten fortsetzen kann. Natürlich wird mir nicht mehr die Sekretärin, die alte Infrastruktur und die Logistik zur Verfügung stehen. Das gesetzlich vorgeschriebene Alter für die Pensionierung habe ich erreicht. Es ist nie gut, wenn ein pensionierter Mitarbeiter zu viel in Erscheinung tritt.

ln einem lnterview haben Sie gesagt, dass der Alltag eines Herzchirurgen langweilig sei. Was verstehen Sie darunter, wenn man weiss, dass Sie sich täglich auf dem Drahtseil zwischen Leben und Tod bewegen?

Von wegen langweilig, so habe ich es sicher nicht gemeint. Vielleicht manchmal monoton, weil einige Abläufe einem bestimmten Automatismus unterworfen sind. Haben Sie schon gehört, dass ein Chirurg während der Operation eingeschlafen ist? Aber während einer Vorlesung kann man schon einschlafen, nicht wahr?

Sie arbeiten an der Konstruktion der Herzklappen aus dem menschlichen Gewebe. Um was handelt es sich dabei genau?

Noch vor zehn Jahren haben wir versucht die Blutgefässe aus den Zellen des Patienten zu konstruieren, leider hat sich das langfristig als problematisch erwiesen. Die Wissenschaft hat auch grosse Fortschritte bei der Konstruktion der biologischen Herzklappen erzielt, dennoch kann man sie immer noch nicht verwenden.

Das Problem liegt darin, dass sich die Zellen, die wir entnehmen und die eine gewisse Zeit außerhalb des Organismus gehalten werden, sich genetisch verändern und der eigene Organismus erkennt sie nicht mehr. Momentane Alternative sind die Herzklappen aus tierischem Material. Abstossungsreaktion wird hier mit technischen Mitteln minimalisiert und sie halten sehr lange. Die aus menschlichen Zellen konstruierten Klappen wären natürlich ideal, speziell für Kinder. Alle Kliniken in der Welt, die sich damit befassen, haben bis jetzt ähnliche Resultate erzielt, wie wir hier.

Das Herz ist das Symbol der Liebe. Es ist das Zentrum des Lebens und wenn es nachlässt ist das Leben erloschen. Was bedeutet für Sie das Herz?

Das Herz ist ein großartiges, ein einmaliges Organ. Pro Tag schlägt es sechsundachtzig Mal oder dreissig Millionen Mal im Jahr. Rechnen Sie mal aus, wie viel Herzschläge das ein Leben lang sind. Und die Selbstregulation dieser Pumpe, sei es beim Schlafen oder Fußballspielen, ist phänomenal. Es gibt keine Maschine, die sich mit dem Herz messen könnte. Das Herz ist und bleibt einfach ein Phänomen.

Müssen die Patienten aus Kroatien immer noch zu Ihnen nach Zürich kommen, obwohl jetzt in Krapinske Toplice die Privatklinik für Herzkrankheiten besteht?

Das Problem ist immer das Geld. Die Medizin ist sehr teuer, die Operationen, je nach Schweregrad kosten bis hunderttausend Franken. Der Privatklinik Magdalena fehlt es an Infrastruktur. Der Chirurg ist nur ein Glied der Kette.

Transplantationen und komplexe Eingriffe werden nie in Privatkliniken durchgeführt, weil die Kosten nicht gedeckt werden können. Das kardiochirurgische Niveau ist sehr hoch, aber Magdalena ist nicht für komplizierte Operationen eingerichtet. Die Klinik ist auch mein Projekt und darum habe ich im voraus bestimmt welche Patienten dort operiert werden dürfen. Trotzdem kommen manchmal Patienten bei denen grosse Risiken bestehen. Vor kurzem habe ich einen Knaben operiert. Der Fall war sogar für hiesige Bedingungen sehr komplex, zum Glück ist alles gut verlaufen.

Haben Sie Kontakte zum kroatischen Gesundheitswesen?

Magdalena ist eine Konkurrenz zu staatlichen Krankenhäusern und in Kroatien sieht man das nicht gern. Darum sind meine Kontakte persönlicher, privater Natur. Jetzt bin ich zum Professor an der Medizinischen Fakultät von Osijek gewählt worden und vielleicht kann ich dort etwas bewirken. Alles beruht aber auf meinen persönlichen Bekanntschaften und zufälligen Kontakten.

Was ist Ihrer Meinung nach das Kernproblem des kroatischen Gesundheitswesens?

Medizin ist eine multifaktorielle Problematik. Wir haben weder andere nochgrößere Probleme als die übrigen Transitländer. Bei unseren Leuten muss das Bewusstsein geweckt werden, dass die Medizin sehr viel Geld kostet. Wir leben hier in der Schweiz und wir wissen wie viel dafür ausgegeben werden muss.
Und bei uns in Kroatien sind die Menschen immer noch gewöhnt, dass die Gesundheitshilfe eine Selbstverständlichkeit ist, etwas, was auf dem Baum wächst. Wir werden sehen was der neue Gesundheitsminister Hebrang imstande ist, zu tun. Mit schnellen, grossen Reformen und Einschnitten ist es nicht möglich, etwas zu erreichen. Das neue System muss langsam aufgebaut werden.

Was halten Sie von Ihren Berufskollegen, die während des Krieges und später in die Politik gegangen sind und die Medizin verlassen haben?

Es bedeutet nicht, dass sich ein Mediziner nicht in der Politik engagieren darf. Als ich Dekan war, musste ich mich auch mit der Politik befassen, besser gesagt mit Gesundheitspolitik. Dann habe ich begriffen, dass die Politik auch erlernt werden muss. Das ist ein Job wie jeder anderer. Klug sein reicht nicht um Politiker zu werden. Unsere kroatischen Politiker haben den Beruf nicht erlernt, sie sind streitsüchtig, intolerant, ein gewisses Mass an Primitivismus ist anwesend. An den Wahlen sind über dreissig Parteien beteiligt und in anderen viel größeren Länder nur drei bis vier. Das sind die Probleme Kroatiens.

Haben Sie jemals überlegt wieder zurück nach Kroatien zu gehen?

Oh, ja. Aber die Herausforderungen waren in der Schweiz viel größer und mit der Zeit war die Familie völlig integriert. Sehr gerne besuche ich Zagreb und muss eingestehen, dass es mir sehr Weh tut, dass Kroatien keine größeren Schritte in der Entwicklung gemacht hat. Die Situation ist heute nicht viel besser als zum Beispiel 1990.

Sie sind auch Schweizer Bürger, Sie haben eine einprägsame Karriere gemacht, Sie sind der beste in der Schweizer Kardiochirurgie, Sie waren Dekan der Medizinischen Fakultät. Haben Sie Probleme gehabt, weil Sie Ausländer waren?

Ich musste immer dreimal besser sein. Ja, ich hatte Probleme, aber das war in den sechziger Jahren. Die Schweiz ist heute viel offener und meine Kollegen aus dem Ausland müssen sich nicht mehr mit Hindernissen herumschlagen, die ich zu bewältigen hatte. Ich muss auch sagen das Glück gehabt zu haben, die richtigen Leute am richtigen Ort getroffen zu haben.

Werden Sie sich in der Zukunft mehr Ihrem Lieblingssport, der Fliegerei, zuwenden?

Leider hat mein Mandat als Dekan mein Hobby ruiniert. Jetzt wage ich mich nicht mehr in die Luft. Ich hatte zu wenige Flugstunden und bin aus der Übung. Als ich noch viel geflogen bin, musste ich einmal notlanden. Die Instrumente haben versagt. Es war nicht gerade angenehm. Meine Frau war dabei und wir haben nie erfahren was die Ursache war. Während eines Fluges wie auch während einer Operation muss bei Eintritt des Unvorgesehenen rasch überlegt und schnell entschieden werden. Dann darf man nicht mehr zögern, weil das Zögern das Rezept für die Katastrophen ist. Deswegen muss jeder Chirurg ein grosses Selbstvertrauen haben.

Interview geführt von Jagoda Zeni�

 

Aus der Libra Nr. 7, Zeitschrift des Kroatischen Kulturklubs

 
 
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