Wohnsitz in Kroatien – eine Saga in mehreren Folgen
Kaum ein Thema hat in letzter Zeit die Kroaten im Ausland so beunruhigt wie die konsequente Anwendung des kroatischen Aufenthaltsgesetzes. In den letzten Monaten wurden darüber zahlreiche Informationsveranstaltungen durchgeführt und einige verwandelten sich fast in Protestversammlungen. Über dieses Thema schrieb Libra in der letzten Ausgabe. Ausführliche Informationen (manchmal auch Desinformationen) veröffentlichten die Onlineportale und die Emigrantenzeitungen.
Das Gesetzt schreibt vor, dass diejenigen, die ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben, ihren Wohnsitz in Kroatien aufgeben und sich abmelden müssen. Damit verlieren sie das Recht auf die Identitätskarte. Diese Gesetzesbestimmung ist an und für sich logisch. Nur Personen, die in Kroatien leben, haben dort den Wohnsitz und damit auch das Recht auf eine Identitätskarte. Wer nicht dort lebt, hat also kein Recht auf einen solchen Ausweis. Der Wohnsitz ist dagegen keine Voraussetzung für die Staatsangehörigkeit. Folglich können alle Kroaten, die ausserhalb Kroatien leben, die kroatische Staatsbürgerschaft beibehalten und somit einen kroatischen Pass besitzen. Der Wohnsitz hat insbesondere keinen Einfluss auf das Stimm- und Eigentums- sowie Steuerrecht.
Somit dürfte der Nichtbesitz einer kroatischen Identitätskarte keine negativen Auswirkungen haben. In der Praxis ist das aber nicht immer so. Allbekannt sind Fälle, wo man ohne Identitätskarte in Kroatien weder ein Auto registrieren noch ein Bankkonto eröffnen konnte. Ohne einen gültigen kroatischen Ausweis ist in Kroatien die Verrichtung alltäglicher Angelegenheiten noch komplizierter wenn gar unmöglich, da ohnehin diese Verrichtungen an und für sich bereits langdauernd und mühsam sind. Dazu kommt, dass die Liegenschaften, in welchen der Eigentümer den Wohnsitz nicht angemeldet hat, als Ferienhäuser und Ferienwohnungen eingestuft werden. Dies führt dazu, dass die Gemeindegebühren und die Kommunalabgaben höher sind als wenn man dort den Wohnsitz angemeldet hätte. Der emotionale Aspekt der Verbundenheit mit der Heimat darf nicht vergessen werden. Das Symbol dieser Verbundenheit ist die Identitätskarte und nicht der Pass, was logisch wäre.
Die negativen Reaktionen der Kroaten im Ausland auf den Verlust der Identitätskarte waren aus diesen Gründen somit ganz berechtigt. Aber gewisse waren mehr aus Unkenntnis der Sach- und Rechtslage als aus Böswilligkeit ein Schuss ins Leere. Zum Beispiel, dass die Personen ohne Identitätskarte als Ausländer in Kroatien behandelt werden und in touristischen Orten sogar Aufenthaltsgebühren entrichten müssen. Diese müssen alle Touristen bezahlen, gleich ob Einheimische oder Ausländer, mit Ausnahme derjenigen Personen, die die lokale Touristenorganisation selber bestimmt. Zu Verwirrung in dieser Situation führte auch das uneinheitliche Verhalten der kroatischen Beamten bei der Abmeldung des Wohnsitzes. Gewissen Personen wurde die Identitätskarte sofort abgenommen und vernichtet und andere meldeten sich ab, durften aber die Ausweise behalten. Solche Inkonsequenz gab Anlass zu Kommentaren über Unfähigkeit oder Willkür der kroatischen Verwaltung, Diskriminierung von Emigranten und Ähnlichem.
Das Dilemma blieb auch nach weiteren Diskussionen ungelöst. Deshalb haben wir im Generalkonsulat in Zürich zusätzliche Erklärungen verlangt. Konsul Igor Surdich hat freundlich auf unsere Fragen geantwortet.
Der Reisepass mit persönlicher Identifikationsnummer (OIB) sollte die Identitätskarte ersetzen, so dass man z.B. die technische Fahrzeugprüfung oder die Kontoeröffnung in einer Bank mit dem kroatischen Pass tätigen kann. In der Praxis hat das bisher nicht so funktioniert. Gibt es Anzeichen für eine bessere Information von kroatischen Institutionen?
Banken sind private juristische Personengesellschaften und deshalb ist es eher schwer, auf ihre geschäftspolitische Tätigkeit Einfluss zu nehmen. Man muss vollständigkeitshalber aber erwähnen, dass es keine Gesetzesvorschrift gibt, die einem kroatischen Staatsbürger mit Wohnsitz im Ausland die Bankkontoeröffnung in Kroatien verbietet. Somit können die Banken die Reisepässe als gültige Identifikationsausweise akzeptieren. Bei der Fahrzeugregistrierung ist die Ausgangslage insofern anders, als eine Gesetzesvorschrift bestimmt, dass ein in der Republik Kroatien registriertes Fahrzeug nur die Person besitzen darf, die in Kroatien auch den Wohnsitz hat. Das Konsulat in Zürich hat die zuständige Behörde auf die Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Bestimmung aufmerksam gemacht und geht von einer baldigen Lösung dieses Problems aus.
Wenn jemand in der Schweiz die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt und z.B. als Pensionär längere Zeit während des Jahres in Kroatien teils am Wohnsitz und teils am Meer verbringt, muss auch er den kroatischen Wohnsitz abmelden?
Das Aufenthaltsgesetz definiert, dass eine Person ausserhalb Kroatien lebt, wenn sie sich im Ausland länger als ein Jahr aufhält. Dies auch im Fall wenn sie vorübergehend in Kroatien weilt, dieser Aufenthalt insgesamt jedoch nicht länger als drei Monate dauert.
Die Person hingegen, die länger als insgesamt drei Monate pro Jahr in der Republik Kroatien lebt, wird gemäss Gesetz somit nicht als im Ausland lebend betrachtet und muss folglich weder den Wohnsitz abmelden noch vorsichtshalber einen Aufenthalt im Ausland anmelden.
Wie wird bewiesen, dass sich jemand länger als drei Monate in Kroatien aufgehalten hat?
Das Gesetzt schreibt nicht vor, welche Beweismethoden als Nachweis der Aufenthaltslänge in Kroatien akzeptiert werden. Somit kann das zuständige Organ die Aufenthaltsdauer mit allen üblichen Methoden kontrollieren (Kontrolle zu Hause und Ähnliches).
Es besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Kroatien und der Schweiz. Wenn eine Person den Wohnsitz in der Schweiz hat und sich in Kroatien nicht abmeldet, ist es möglich, dass sie die Einnahmen aus der Schweiz auch in Kroatien versteuern muss?
Gemäss der kroatischen Verfassung geht eine internationale Vereinbarung dem Gesetz vor. Deshalb wendet man die Bestimmungen des schweizerisch-kroatischen Abkommens an. Der Art. 4 Abs. 2 des Abkommens reguliert den Fall, wenn ein Steuerzahler den Wohnsitz in beiden Ländern besitzt (sogenannter Resident).
Wenn gemäss Bestimmungen eine natürliche Person Resident in beiden Staaten ist, dann wird ihr Status wie folgt bestimmt:
Sie ist Resident desjenigen Staates, in welchem sie ihren ständigen Wohnsitz hat. Hat sie den Wohnsitz in beiden Staaten, dann ist sie Resident desjenigen Staates, zu welchem sie engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen hat, d.h. dort, wo sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat.
Wenn nicht festgestellt werden kann, wo der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen ist oder sie in keinem Staat den ständigen Wohnsitz hat, dann wird angenommen, dass sie Resident desjenigen Staates ist, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Wenn die Person den gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem Staat hat, dann wird angenommen, dass sie Resident desjenigen Staates ist, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt.
Wenn die Person beide Staatsbürgerschaften besitzt oder keine der beiden, dann werden die zuständigen Staatsorgane diese Frage mit einer Vereinbarung beantworten.
Die Bestimmungen des Abkommens schliessen folglich ausdrücklich die Möglichkeit der Doppelbesteuerung aus, wenn die Person den Wohnsitz in beiden Staaten behält. Dieses Abkommen reguliert vor allem die Einkommens-, Gewinn- und Immobilienbesteuerung.
Ist es richtig, dass die Staatsangehörigkeit bzw. der Wohnsitz keinen Einfluss auf die Besteuerung der Immobilien in Kroatien haben?
Diesbezüglich können wir noch keine offiziellen Auskünfte erteilen, da das Gesetz über die Besteuerung von Immobilien noch nicht verabschiedet ist. Wenn wir die bisherige Praxis des kroatischen Gesetzgebers im Zusammenhang mit Immobilien in der Republik Kroatien betrachten, dann ist davon auszugehen, dass die Besteuerung im Lande erfolgt, in welchem sich die Immobilie befindet.
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Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Das Aufenthaltsgesetz bringt Ordnung in die Datensammlung über die Bevölkerung in der Republik Kroatien. Es wird das erreicht, an was wir uns in der Schweiz schon gewöhnt haben, nämlich eine geordnete Einwohnerkontrolle. Eine Anmeldung an einer falschen Adresse in Kroatien wird verunmöglicht, die Wählerlisten bereinigt. Die Bezahlung der Steuerzuschläge wird nicht mehr so einfach umgangen werden können. Die Nichtbeachtung weiterer Vorschriften wird erschwert. Der Gesetzeszweck war mit Sicherheit nicht das Schikanieren der Ausgewanderten, obwohl einige die Gesetzesanwendung so erlebt haben.
Um diesen Eindruck zu korrigieren, hat sich offensichtlich die Praxis in Kroatien zu einem Kompromiss bewegt. Den Personen, die früher an einer bestimmten Adresse in Kroatien gelebt haben und von dort ins Ausland wegziehen, wird empfohlen, nur vorübergehend den Wohnsitz abzumelden oder wie das Gesetz vorschreibt, nur den vorübergehenden Weggang aus der Republik Kroatien anzumelden. In diesem Fall wird die Identitätskarte nicht annulliert und man darf sie behalten. Damit wird die Mehrheit der Ausgewanderten das Gesetz einhalten können aber auch die eigenen Interessen wahren. Nur Personen mit fiktivem Wohnsitz, die in Kroatien nie gelebt haben, werden somit ohne Identitätskarte verbleiben.
Schade, dass an diese Lösung nicht von Anfang an gedacht wurde.
Aus der Libra Nr. 34, der Zeitschrift des Kroatischen Kulturklubs der Schweiz
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