Kroatien - eine unversiegliche Quelle
der Sehenswürdigkeiten und des Wissens
Vransko jezero (Krähensee) in Dalmatien
Die Libra-Redaktion hat mich gebeten, wieder etwas zum Thema Kroatien zu schreiben. Ich habe ein paar Tage nachgedacht, aber nichts, überhaupt nichts fiel mir ein. Mit unserer heimatlichen Administration habe ich keine Probleme (zur Zeit brauche ich auch nichts von ihnen!), die Rente kommt regelmässig, Rezepte für meine Arzneimittel bekomme ich wie gewohnt, und worüber soll ich dann schreiben? Über Politik? Die Wahlen sind beendet, eine Seite hat gewonnen, die andere war der Meinung, gewonnen zu haben, die Koalitionen wurden gebildet, natürliche und unnatürliche, also geht alles wie gewöhnlich weiter. Wir nähern uns dem EU-Beitritt – einige denken zu langsam, die anderen zu schnell. Die Einladung zum Beitritt in die NATO haben wir bekommen, die Deutschen würden sagen, alles in Butter.
Wenn ich schon nichts über die aktuellen Ereignisse in unserer schönen Heimat zu berichten habe, dann werde ich trotzdem ein paar Zeilen gerade über sie schreiben.
Ich bin von Tisno auf der Insel Murter, so dass ich etwas über meine nähere Umgebung, genauer über den Naturpark Vransko jezero schreibe: In Kroatien gibt es zwei Seen mit dem Namen Vransko jezero, einen auf der Insel Cres, und dieser, über den ich schreibe, erstreckt sich zwischen den Orten Pakoštane und Prosika. Dieser See samt seinem umliegenden Gebiet ist schon früher zum Naturschutzgebiet erklärt worden und im Jahre 1999 wurde er zum Nationalpark. Er erstreckt sich über 57 Quadratkilometer, wovon der See eine Wasseroberfläche von 30,2 Quadratkilometern besitzt. Der Park ist bekannt als Zufluchtsort für viele Zugvögel. Bisher wurden 241 Vogelarten registriert, von denen 102 Arten auch hier brüten.
Der bekannteste Vogel heisst übersetzt ins Deutsche Nichtstuer-Ente (Woher hat sie nur den Namen?). Es gibt auch ein bedeutendes ornithologisches Reservat mit einer grossen Vogelbeobachtungsstation. Der See ist reich an verschiedenen Fischarten, worüber unsere Angler I.M. oder S. N. einmal mehr berichten sollten.
In dem nahe am See gelegenen Ort Vrana hat sich vor langer Zeit ein wichtiges Ereignis der kroatischen Geschichte zugetragen. Noch während der Herrschaft des Fürsten Branimir werden auf diesem Gebiet die Burg Castrum Aureanum und das Benediktinerkloster des heiligen Grgur erwähnt, das zusammen mit allen beweglichen und unbeweglichen Gütern König Dimitar Zvonimir bei seiner Krönung in der Stadt Solin am 14.Oktober 1075 dem Heiligen Stuhl geschenkt hat. Seit dieser Zeit gehört Vrana zu einem Teil des Petrus-Erbes und diente als erster diplomatischer Sitz der päpstlichen Gesandten an der östlichen Adriaküste.
Im Jahre 1136 teilt der Heilige Stuhl das Kloster in Vrana den Templern zu und nach der Abschaffung dieses Ordens wird Vrana vom Hospitaliter- oder Johanniterorden übernommen. Das Kloster in Vrana hatte das Recht der Jurisdiktion über alle anderen Klöster, wodurch der Prior von Vrana zum Hauptprior auf dem Gebiet des ganzen Königreiches wurde. Auf besondere päpstliche Anordnung wurden die Titel des kroatischen Bans und des Priors von Vrana vereinigt, so dass an diesem Ort in einer Person grosse kirchliche, politische und militärische Macht vereinigt wurde. Die bekanntesten der Priore von Vrana waren Ivan Pali�na und Petar Berislavi� und ihre Büsten befinden sich zu Ehren in der Kathedrale von Zagreb. Gerade aus dem Grund, dass in Vrana die Insignien des kroatischen Königreiches aufbewahrt wurden, erfolgte die Krönung des ungarischen Königs Koloman mit der kroatischen Krone im Jahre 1102 in der Stadt Biograd als der nächsten königlichen Residenz.
Nachdem die Osmanen Vrana erobert hatten, wurde die Stadt in eine Militärfestung umgebaut und von den aristokratischen Familien Atlagi� und Durakbegovi� verwaltet. Die Stadt Vrana wird ausschliesslich von der muslimischen Bevölkerung und die Umgebung von den orthodoxen Walachen besiedelt.
Als die Venezier im Jahre 1648 die Stadt Vrana von den Osmanen befreit hatten, zerstörten sie die Festung und die Unterstadt. In der Folgezeit konnte Vrana nie mehr etwas von seiner ruhmvollen Geschichte zurückerlangen, so dass bis zum heutigen Tage nur die Umrisse der ehemaligen Stadt bewahrt sind. Nach der Wiederherstellung des Friedens und der stabilen Grenze zum Osmanischen Reich im Jahre 1699 begann die Rückkehr der kroatischen Bevölkerung an die heimischen Herde.
(Das kann man auf einer der Informationstafeln auf dem Aussichtspunkt Vidikovac nachlesen)
Im Ort Vrana befinden sich auch Überreste von Maškovi�-Han. Das war eine Karawanserei aus der osmanischen Zeit, errichtet vom türkischen Wesir Jusuf Maškovi�. Da sich das Gebäude leider in einem sehr schlechten Zustand befindet, kann es derzeit nur von aussen besichtigt werden.
Das Aussichtsplateau Vidikovac über dem See
Ein kleines Restaurant (leider noch geschlossen) und eine kleine Kapelle auf dem Vidikovac
Aussicht vom Vidikovac auf Vransko jezero und auf das Meer mit Inseln
Bei der Besichtigung des Naturparkes, darf man nicht die Gelegenheit verpassen auch Vidikovac, das Aussichtsplateau über dem See, zu besuchen. Dorthin gelangt man auf der Landstrasse Stankovci-Pirovac, und im Ort Banjevci muss man neben der Kirche rechts abbiegen (links, wenn man aus Richtung Pirovac kommt) und dem Holzwegweiser Vidikovac folgen. Wenn die asphaltierte Strasse zu Ende ist, gibt es noch etwa einen Kilommeter guter Makadamstrasse, an der die Kreuzwegstationen aufgestellt sind. Ich war mehrmals auf dem Vidikovac und jedesmal bin ich erneut begeistert von der Aussicht. In südwestlicher Richtung sieht man zuerst ganz nahe unter sich den Vraner See mit seiner gelb-grünen Farbe. Etwas weiter ist ein enger Landteil, an einigen Stellen nur ein paar hundert Meter breit, dann das Meer in allen möglichen Blaunuancen. Weiter draussen erkennt man die Inseln Norddalmatiens: Ugljan, Pašman, Vrgada, Murter, �irje, Kaprije und die Kornaten. Vidikovac ist sehr schön eingerichtet mit Steintischen und -bänken; es gibt auch ein kleines Restaurant (leider noch geschlossen). Auf der Mitte des Plateaus befindet sich eine kleine Kapelle. Alles ist aus Stein gebaut, schön und bescheiden, als ob es schon von immer da gewesen wäre. Auf dem Zugang zum Plateau befinden sich vier grosse Tafeln mit historischen Angaben über die Stadt Vrana, den See und die archäologischen Fundstätten. Hier kann man nachlesen, dass der Wasserspiegel ursprünglich bedeutend höher gewesen war, bis die Venezier 1770 einen Kanal bis zum Meer anlegten (Prosika). Dadurch wurde der Seespiegel um drei Meter heruntergesetzt und dafür fruchtbares Ackerland erhalten, zugleich ist man das Sumpfgebiet losgeworden. Es ist interessant, dass der Ausbau und das Einrichten vom Vidikovac von der EU mitfinanziert worden sind.
Auf der anderen Seite befindet sich das Gebiet Dalmatinska Zagora, im Norden das Gebirge Velebit und im Westen sieht man die Dinara-Berge.
Wenn man wieder das Tal erreicht hat, kann man auch den winzigen Hafen in der Nähe des Ortes Prosika besuchen. In der Sommersaison sieht man dort oft ein Boot mit Zürcher Kennzeichen. Das ist das Boot von unserem Mate aus dem nördlichen Gebiet Me�imurje, der dort Karpfen angelt und angeblich auch fängt.
Ich hoffe, dass Sie durch das Lesen dieses Artikels etwas über unsere Geschichte erfahren haben. Wenn ich gesund und bei guter Laune bleibe, wird auch in der nächsten Libra - Ausgabe etwas aus unserer Heimat erscheinen.
Text: Franjo Masli�
Übersetzung: Sanja Lipnjak
Aus der Libra Nr. 23 (2008), der Zeitschrift des Kroatischen Kulturklubs der Schweiz
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