Typisch Schweizerisches
Schiesswesen in der Schweiz: das Feldschiessen
Am Wochenende vom 23. bis 25. Mai massen sich dieses Jahr* (*Bem.: 2008!!!) wieder tausende von schweizerischen Hobby-Schützinnen und –Schützen am Eidgenössischen Feldschiessen in ihrer Treffsicherheit auf 300m Distanz mit dem Gewehr oder 50m mit der Pistole. Von der schreibenden Presse und von den Verbänden wird dieser Anlass oft mit dem „grössten Schützenfest der Welt“ gepriesen. Gemessen an der Zahl der teilnehmenden Sportler stimmt das auch, es gehen nämlich jährlich zwischen zehn- und fünfzehntausend Schützen hin. Woher kommt dieser Enthusiasmus, was steckt historisch dahinter, wer sind diese Sportler, was gibt ihnen der Antrieb, dass sie so zahlreich teilnehmen?
Das Schiesswesen ist in der Schweiz im Volk sehr stark verwurzelt, und zwar nicht nur wegen Schillers Tell. Man ging schon vor über hundert Jahren an Schützenfeste. In der Literatur, allen voran bei Gottfried Keller, dem bekannten Schweizer Dichter mit seiner Novelle „das Fähnlein der sieben Aufrechten“, ist das Schützenfest schon seit früher Zeit ein Thema, das typisch schweizerisch gelesen und verstanden werden will. Schon damals führte der Weg zu persönlichem Glück, zu gesellschaftlichem Ruhm und zu Zufriedenheit im Volk über die Teilnahme an einem Schützenfest und dessen Sieg. Gottfried Keller versteht es, seine Leser mit den schweizerischen Eigenheiten, mit Volksbrauchtum und Vaterlandstreue und –liebe anzufreunden und aus der Lektüre begreift man, dass ein Schützenfest nicht nur das Mitmachen an einem sportlichen Anlass beinhaltet, sondern auch dass Familien, Verwandte und Bekannte, die ganze Gesellschaft daran Anteil nimmt und hat.
Die über 130 Jahre, die das Feldschiessen bereits durchgeführt wird, resultieren historisch gesehen aus der früheren Verordnung in der Schweiz, dass junge diensttaugliche Männer am Obligatorischen Schiessen teilnehmen mussten, wozu man auch das Feldschiessen zählte. Im Jahre 1850 wurde erstmals das jährliche Zielschiessen für Mannschaften eingeführt.
Die Art der Durchführung und die Schiessprogramme waren aber föderalistisch weitgehend der kantonalen Gesetzgebung unterworfen, d.h. jeder Kanton entschied, worauf wie viele Schüsse abgegeben wurden. Entsprechend waren die Resultate allgemein ernüchternd und sehr unbefriedigend: Nur 15 % der Schützen trafen überhaupt die Mannsfigur, die man als Scheibe damals anvisierte, 85 % schossen daran vorbei! Die Militärordnung von 1874 im Rahmen der Bundesverfassungsrevision führte deshalb eine obligatorische ausserdienstliche Schiesstätigkeit ein. Das erste Feldsektionsschiessen, ein vorgängiges Schützenfest zum heutigen Feldschiessen, fand schon früh auf dem Twannberg oberhalb der Stadt Biel statt; danach sind kantonale Feldschiessen in den Kantonen Solothurn und Bern nachweisbar, die zum heutigen Feldschiessen führten.
Eine ständige eidgenössische Institution wurden die kantonal durchgeführten Anlässe aber noch lange nicht, nur in den Innerschweizer Orten waren sie fester Bestandteil des Schützenwesens. Führend bei der Förderung waren auch die Kantone Bern und Solothurn, in denen bereits schon früh eine zahlreiche Beteiligung von Schützen registriert wurde. Immerhin erkannten die Obmänner in den Schützenvereinen bald das Potenzial, welches das Feldschiessen dem freiwilligen Schiesswesen bot, und förderten den Anlass entsprechend, zwar vorerst ab 1899 finanziell. Bald nach der Jahrhundertwende stellte der Schweizerische Schützenverband verbindliche Grundlagen für die Durchführung der Wettschiessen auf, was den Anlass zu einem gesamtschweizerischen Schützenfest werden liess. Seit 1926 nehmen auch Schützen mit der Pistole teil, erst seit 1940 wird das Feldschiessen jährlich durchgeführt. Anfangs wurden den erfolgreichen Schützen Diplome und eidgenössische Anerkennungskarten abgegeben. Seit 1935 gibt es das eidgenössische Kranzabzeichen, das jeder gute Schütze nach dem Wettkampf sich mit Stolz an den Wams heftete. Heute schiessen sich etwa 60 % der Schützinnen und Schützen ein Abzeichen, welches zuhause in den Ehrenschrank geheftet wird oder sonst einen würdigen Platz erhält. Ganze Reihen von Sujets zieren die Kranzabzeichen der Eidgenössischen Feldschiessen bis heute.
Text: Alfred Schenker
Aus der Libra Nr. 23 (2008), der Zeitschrift des Kroatischen Kulturklubs der Schweiz
|