Im Jahr 2001 wurde das erste Buch von Mile Mudrovcic
herausgegeben - die Sammlung der Kurzgeschichten
mit dem Titel: "Geschichte unter dem Grossvaters
Schnauzbart". Hier bringen wir seine Geschichte:
�Aufbruch" vor
AUFBRUCH
Am
Abend beim Schlafengehen, gerade als ich mich in
die Decken h�llen wollte, teilte mir mein Vater
mit, dass ich morgen mit ihm auf Velebit gehen werde.
Ich wusste genau, was das heisst: im hohen Gebirge
das Vieh h�ten. Jedermann, dessen K�he oben auf
der Weide waren, war verpflichtet, eine Woche lang
alle zu h�ten. Die Abl�sung fand einmal w�chentlich
statt. Nun waren wir an der Reihe. Gerade morgen
war der Tag. Es war selbstverst�ndlich, dass ich,
als der �lteste von den m�nnlichen Kindern in meiner
Familie, k�nftig anstelle von meinem Vater diese
Aufgabe �bernehmen w�rde. Das war f�r mich eine
grosse Ehre. Obwohl m�de und schl�frig, konnte ich
lange kein Auge zumachen. Und als ich endlich eingeschlafen
war, tr�umte ich von wundersch�nen Weiden, Quellen,
hundertj�hrigen Buchen, �ber B�ren, Mardern, F�chsen,
Wieseln, Zieseln und wer weiss was noch allem.
Kurz
vor dem Morgenrot hatte ich einen schrecklichen
Traum - ich wurde von einem riesigen Wolf gejagt.
Ich rannte und rannte, aber weder gelang es ihm,
mich zu fassen, noch mir, ihm zu entfliehen. Was
f�r H�llenquallen! Ich war in kaltem Schweiss gebadet.
Irgendwie schaffte ich es, �ber ein kleines Feld
wegzulaufen und mich hinter einem Tannenbaum zu
verstecken. Ich glaubte, so k�nnte meine Spur verwischt
werden. Aber nein. Der schlaue Wolf hielt mitten
im Feld an und hatte es nicht eilig. Die Bestie
schaute hin und her, sein Blick suchte mich. Ich
kauerte mich zusammen, so dass ich ganz klein wurde,
und mein Herz klopfte heftig wie bei einem Angsthasen,
sprang fast aus dem K�rper hinaus.
Dann
fing ich an, das Vaterunser zu beten. Ich hoffte,
Gott k�nne mich von diesem Grauen befreien. Anfangen
konnte ich das Gebet schon richtig, aber irgendwo
in der Mitte verlor ich immer wieder den Faden,
in meinem Kopf war alles durcheinander und ich wusste
nicht wie weiter. Oh, wenn ich nur auf das Grossi
geh�rt und die Gebete besser gelernt h�tte!
Wie
es weiter ging, das weiss ich nicht. Auf einmal
sp�rte ich, wie mich etwas in den R�cken stiess.
Ich dr�ckte die Augen noch fester zusammen und wartete
darauf, dass etwas Schreckliches passiert. Es passierte
aber nichts. Deshalb �ffnete ich die Augen. Immer
noch erschrocken schaute ich mich um. Und was erblickte
ich: das ruhige Gesicht meines Vaters.
Ich
war erleichtert. Mit was f�r einer Freude schl�pfte
ich dann in meine abgetragene und schon lange zu
eng gewordene Hose! Im Zimmer war es kalt. Ich deckte
meine schlafenden Br�der zu - sie waren verborgen
wie kleine K�ken. In der K�che war es angenehm warm,
wie im Paradies. Meine Grossmutter und meine Mutter
waren in der K�che schon seit fr�h morgens besch�ftigt,
so dass auf dem Tisch bereits Polenta und Milch
dampften. Ein besserer Empfang nach dem Aufstehen
k�nnte sich nicht einmal ein Zar w�nschen! Ich muss
gar nicht sagen, mit welchem Appetit ich mich an
das Essen gemacht habe. Der Vater hatte sein Fr�hst�ck
bereits fertig gegessen und nun qualmten aus seiner
Pfeife lange blaue Rauchwolken wie durchsichtige
Schlangen. Alles war schon bereit f�r den Abmarsch:
ein frisch gebackenes Fladenbrot, eine Feldflasche
Schnaps und ein Klumpen Butter. Am Gurt meines Vaters
steckten zwei gl�nzende mit Messing verzierte Pistolen
und da hing auch noch ein Messer im Heft. Er w�rde
es zum Schnitzen von Holzl�ffeln und Rechengabeln
gut brauchen k�nnen, weil es dort oben viel gutes
Holz gibt. Sein Tabaks�ckchen machte der Vater immer
zuletzt bereit, da das eine Sache war, die er kaum
vergessen w�rde. Wenn auch das vorbereitet war,
brachen wir auf.
Das
Bild meiner Mutter, wie sie an der T�r stand, als
sie sich von uns verabschiedete, werde ich nie vergessen
k�nnen. Das kann man gut verstehen, da sich seit
eh und je die Frauen aus Lika von M�nnern verabschiedeten,
die in den Krieg, ins Milit�r oder zur Arbeit in
fremde L�nder gingen. Und wer Gl�ck hatte, der kehrte
mal zur�ck - manche krank, mache verkr�ppelt, und
nur wenige reich und gesund.
Die
Mutter lehnte sich bek�mmert an die T�r. Als ich
schon draussen auf der Strasse war, sah ich, wie
sie sich Tr�nen aus den Augen wischte. Dem Vater
sagte ich nichts. Ich wusste doch genau, was er
davon h�lt. Der Gott schuf ja die Frauen, um zu
weinen, und die M�nner, um das t�gliche Brot zu
verdienen und f�r Zaren den Krieg zu f�hren. Er
nahm keine R�cksicht darauf, das alles waren ja
nur laute Weibertricks, um den Mann noch fester
an den Rockzipfel zu binden.
Portal Team