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               17.03.2005. 
              Hoch hinaus 
                - Max Emanuel Cencic 
              Nicht 
                Heldenten�re, sondern Heldensoprane haben in der Barockoper das 
                Sagen und Singen. Countertenor Max Emanuel Cencic �bernimmt in 
                H�ndels "Sosarme" im Theater St. Gallen die Rolle des 
                Prinzen Melo.  
                 
                   
                Max Emanuel Cencic 
              Sie sind 1976 in Zagreb 
                geboren. Ihren ersten Fernsehauftritt hatten Sie mit sechs Jahren. 
                 
                Max Emanuel Cencic: Na ja, das war halt so im Rahmen einer Unterhaltungssendung. 
                Ich hatte da als Knabensopran die Arie der K�nigin der Nacht gesungen. 
                 
                 
                Ihr Vater war Dirigent, Ihre Mutter S�ngerin. Wann begannen Sie 
                ernsthaft mit Singen?  
                Cencic: Seit ich mich erinnern kann. Ich trat bereits mit sieben 
                Jahren in sakralen Werken auf, bald kamen auch Kinderrollen in 
                Opern dazu. Mit knapp zehn kam ich ins Internat der S�ngerknaben 
                nach Wien. Ich war selbst sehr ambitioniert, aber es war keine 
                einfache Zeit. Da muss man neben der musikalischen Ausbildung 
                auch den Schulstoff in sechs Monaten bew�ltigen, und vier Monate 
                pro Jahr ist man auf Tournee.  
                 
                Keine Auflehnung gegen diesen Drill?  
                Cencic: Es gibt nur zwei M�glichkeiten: Rebellieren und gehen 
                oder bleiben und durchstehen. Die Ausbildung bei den S�ngerknaben 
                hat zweifellos etwas von meiner Kindheit genommen, aber sie hat 
                nat�rlich auch was gebracht.  
                 
                Wollten Sie damals schon S�nger werden?  
                Cencic: Nie! Von den hundert S�ngerknaben pro Jahr schlagen nur 
                einige wenige sp�ter tats�chlich eine S�ngerlaufbahn ein. Ich 
                konnte mir nie vorstellen, Tenor, Bariton oder Bass zu werden. 
                Fasziniert haben mich dagegen die hohen Stimmen. Und so dachte 
                ich, wenn ich mutiere, werde ich halt nicht mehr singen.  
                 
                Und wie hat sich denn der Stimmbruch vollzogen?  
                Cencic: �berhaupt nicht. Ich habe nicht im eigentlichen Sinne 
                mutiert. Als ich etwa f�nfzehn war, wurde die Stimme kr�ftiger, 
                volumin�ser, verlor den Charakter eines Knabensoprans.  
                 
                K�nnen Sie das n�her erkl�ren?  
                Cencic: Ich bin ein Mezzosopran oder Altus, mit einem Umfang von 
                a bis zum dreigestrichenen c. Die Art, wie ich heute als Countertenor 
                singe, ist dieselbe wie als Knabensopran. Ich muss nichts k�nstlich 
                bewerkstelligen: Timbre und Vibrato sind v�llig nat�rlich. Durch 
                das kontinuierliche Sopransingen als Kind hat sich meine Stimme 
                derart an die Technik gew�hnt, dass sie sich auf die neuen k�rperlichen 
                Gegebenheiten nach der Pubert�t nicht umgestellt hat. Wenn man 
                dagegen die Stimme in Ruhe gelassen h�tte bis nach dem Stimmbruch, 
                h�tte man anschliessend neu beginnen m�ssen.  
                 
                Der Einbruch kam dennoch. Allerdings sp�ter, so mit zwanzig 
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                Cencic: Ja. Ich hatte einfach die Schnauze voll. Das war f�r mei-ne 
                Mutter nat�rlich zuerst ein Schock. Aber ich hatte das Gef�hl, 
                das private Ich sei zu kurz gekommen. �ffentlich, s�ngerisch war 
                ich st�ndig gefragt, privat war ich verk�mmert. Und ich wollte 
                endlich dieses Wunderkind-Image ablegen! Ich begann ein Studium, 
                jobbte unter anderem in der Musikbranche als Promotor von Pops�ngern. 
                Da sah ich, wie Leute, die kaum Stimme hatten, aufgebaut wurden 
                und Karriere machten. Das gab mir den Kick, das Singen wieder 
                aufzunehmen.  
                 
                Ihre zweite Karriere als Countertenor starteten Sie mit einer 
                Rezital-CD mit Kantaten von Scarlatti. War das der Durchbruch? 
                 
                Cencic: Schon, aber das ging am Anfang sehr z�gerlich. Erst allm�hlich 
                brachte es mir Engagements ein, von denen ich nicht zu tr�umen 
                gewagt hatte - unter anderem in Basel den Nerone in Monteverdis 
                "Poppea" und jetzt die Koproduktion von Lissabon und 
                St. Gallen mit H�ndels "Sosarme". Es ist mir wichtig, 
                mir Zeit zu lassen f�r eine Produktion. Ich bin ja kein Schauspieler, 
                der gelernt hat, auf Knopfdruck zu weinen. Ich muss mich buchst�blich 
                in eine Rolle einspielen, es ist f�r mich ein langwieriger Prozess, 
                Singen und Spielen zusammenzubringen. Aber wenn mich der Regisseur 
                �berzeugt, mich zu exponieren, dann tu ichs. Von den Dirigenten 
                profitiere ich sehr, was Verzierungstechnik und Ausdruck anbelangt. 
                 
                 
                Sie erw�hnten die Popszene. Da spielen ja androgyne Stimmen 
                eine bedeutende Rolle. W�re Crossover eine Option?  
                Cencic: Meine Affinit�t zum Pop ist zu gering, als dass ich da 
                was wirklich Gutes machen k�nnte. Aber eines stelle ich fest: 
                Im Popbereich wird sehr lebendige Musik gemacht, doch gibts zwangsl�ufig 
                viel Mittelm�ssiges, was nur im Hinblick auf den finanziellen 
                Erfolg produziert wurde.  
                Wir klassischen Musiker betreiben Kunstfertigkeit. Wir wiederholen, 
                was seit Jahrhunderten wiederholt wurde. Ich bin deshalb gl�cklich, 
                durch mein Stimmfach ein barockes Repertoire zu pflegen, das noch 
                nicht dermassen abgeleiert ist, wie Klassik und Romantik, wo ich 
                mir Tosca oder Rodolfo in hundertfacher Version anh�ren kann. 
                Aber den Tancredi oder den Arsace in "Semiramis" von 
                Rossini w�rde ich zu gern mal machen.  
                 
                Interview: Bruno Rauch 
                St. Galler Tagblatt vom 16. M�rz 2005 
                 
               
              Po�etak 
              
              
              
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