"Der Bund" objavio sjajan osvrt na novu knjigu Marice
Bodro�i�
Dobar glas daleko se �uje,
a dobar roman svagdje se rado �ita. U bernskom dnevnom listu "Der
Bund" objavljen je sjajan osvrt na novu knjigu Marice Bodro�i�
"Der Spieler der inneren Stunde". Ve� dugo nijednom hrvatskom
autoru nije u �vicarskom tisku objavljena tako pozitivna kritika.
Za posjetitelje portala donosima taj �lanak na njema�kom jeziku:
Kindheit als poetisches Fluidum
Mit "Der Spieler der inneren Stunde"
legt Marica Bodrozic ein ungew�hnlich starkes Romandeb�t vor .
Die aus Kroatien
geb�rtige Autorin Marica Bodrozic - f�r den "Bund" auch
als Rezen-sentin t�tig - beschw�rt in ihrem Roman-Erstling auf poetisch-intensive
Weise das verlorene Land der Kindheit.
Schriftstellerin Marica Bodrozic
In Marica Bodrozics literarischem Erstling ("Tito
ist tot", 2002) haben die Szenen am meisten beeindruckt, die
auf traumhaft-surreale Weise die Befindlichkeit des Kindes evozierten,
das die Erz�hlerin einmal war. Dieses Fr�hjahr nun ist unter dem
Titel �Der Spieler der inneren Stunde� ihr erster Roman erschienen.
Und die Verzauberung, die von dem Buch ausgeht, das poetische Fluidum,
das es verstr�mt, h�ngt ein weiteres Mal eng damit zusammen, dass
Marica Bodrozic (Jahrgang 1973) ihr Heranwachsen zwischen Kroatien
und Deutschland aus einem mit poetischen Mitteln reanimierten unverf�lscht
kindlichen Blickwinkel heraus darzustellen vermag.
Grossvaters Uhr hat Jelena nach seinem Tod in dem
alten Haus, wo sie Jahr f�r Jahr ihre Sommerferien verbrachte, nicht
finden k�nnen. Da sind ihr, obwohl das Erbst�ck f�r sie bestimmt
war, andere zuvorgekommen. Daf�r hat sie, was bedeutsamer ist, die
Erinnerungen in sich bewahrt, die mit dem Dorf in Dalmatien, dem
grossv�terlichen Haus und all den Gestalten und Figuren aus jener
Welt in Beziehung stehen. Denn: "Etwas wird zu etwas, wenn
es vorbei ist." Und: "Geschichten gehen nie verloren,
sie leben hinter unge�ffneten Fenstern und warten auf eine Hand,
die sie heraushebt aus dem Nichts."
Bilder statt Dokumente
Wobei die Wiederbelebung der versch�tteten Kindheitswelt
nicht auf dokumentarische oder recherchierende Weise erfolgt, sondern
allein auf der Kraft jener Bilder beruht, die Jelena auf magisch
- traumhafte Weise ins Erwachsenenleben her�bergerettet hat. "Du
musst nicht alles wissen", sagt die fr�hliche Tante Sonja zu
ihr, "es gen�gt, dass du es siehst, und dann kommen die Namen
von allein." Die Zusammenh�nge liegen im Dunkeln, aber �die
Mitte der Dinge� kann, wie Jelena sich in Bezug auf die von ihr
erdachten "Himmelsb�cher" �berlegt, "jederzeit freigeschaut
werden". Was das M�dchen, das stets mit einem Koffer voll B�cher
nach Dalmatien gereist ist und die Bez�ge zwischen dem Kroatisch
ihrer alten und dem Deutsch ihrer neuen Umgebung genau studiert,
eins zu eins auf die Sprache, die Sprache ihrer Erinnerung, �bertr�gt:
"Auch die S�tze hatten eine solche Mitte, und immer wohnte
dort ein grosses Auge, das dann anfing zu leuchten und sich wie
eine Spirale zu drehen. Die Kurve bewegte sich um einen Punkt und
brachte neue Kreise auf, sich windend und unendlich, die sich nun
immer weiter entfernten, bald erst grosse, dann wieder kleine Schnecken-
und Schraubenlinien hinterliessen."
Genau so, in solchen Spiralen, Schnecken - und
Schraubenlinien, entfaltet sich Marica Bodrozics Roman: nicht wie
ein traditioneller Bildungs- oder Entwicklungsroman, der einem den
allm�hlichen Abl�sungsprozess von der dalmatinischen Heimat bzw.
die Integration in der deutschen Sprache und Gesellschaft linear-erz�hlerisch
vor Augen f�hrt, sondern als eine rein assoziativ miteinander verbundene
F�lle von Bildern und Erinnerungen, die, einmal angetippt, immer
neue Assoziationen und Weiterungen hervorbringen. So dass einem
das Kindheitsland Dalmatien, aber auch das mysteri�se deutsche "Exil"
anhand von Geschichten und Episoden, seltsamen Figuren und Gestalten,
vor allem aber mittels Farben, Ger�chen, T�nen und D�ften als eine
diffus-fluktuierende, intensiv lebendige, aber nicht analytisch-logisch
bestimmbare, noch nicht vom Bewusstseinsstrom abgekoppelte magisch-poetisch-irrationale
Daseinsform vor Augen, Ohren und Sinne gef�hrt wird.
T�ne, Farben, Gestalten
Der Duft von Olivenholz, der Geschmack von Wein
und �l, die Kl�nge der improvisierten v�terlichen Glasharfe, das
Summen der vibrierenden Eisenbahnschienen, das Tosen der Oluja,
des eisigen Karst-Windes, der kehlige Tonfall der kroatischen Laute,
das Fruchtstellenrot am Horizont, die Helligkeit des Blutes am Morgen
des Schlachttages, das Blau, Braun und Gr�n in der festlichen Kirche:
All das tr�gt ebenso zum unverwechselbaren Flair dieses poetischen
Erz�hlstroms bei wie die archaisch-schwerf�llige, extrem nominale,
dem verbalen Fluss sich verweigernde Sprache - die in ihrer lyrischen
Eigenwilligkeit immer wieder an Rilke erinnert - und das bunte Figurenkaleidoskop,
das dem Text durchaus auch erz�hlerische Spannung, ja Unterhaltsamkeit
verleiht.
Enkelin und Grossvater
Im Mittelpunkt stehen der trotzig unbelehrbare,
eine ganze Welt und ein ganzes Jahrhundert verk�rpernde Grossvater
Nikola und seine Enkelin Jelena, die im Verlaufe der Zeit vom beh�teten
Ferienkind zur H�terin des alternden Mannes heranw�chst, ihm die
Haare w�scht und den Verfall seiner Behausung aufh�lt. Selber zur
"Ausl�nderin" geworden, beobachtet sie, wie die �bersiedlung
nach Deutschland die S�hne der Heimat immer mehr entfremdet, die
Gewohnheiten ver�ndert und die H�user am Ende �d und unbewohnt zur�ckl�sst.
Neben Nikola und Jelena - die mit der Brunnenhexe
Baba Roga auf vertrautem Fuss steht, in einem alten Gobelin eine
ganze Welt f�r sich entdeckt und von einer Lichtlinie tr�umt, auf
der die Vogellaute von Land zu Land �bermittelt werden k�nnen -
pr�gen sich einem viele andere Gestalten unvergesslich ein. Die
herzegowinische Cousine Ivana, die buchst�blich an den M�nnern zu
Tode kommt, die verlorene Trinkergestalt, die irgendwo aus dem aus
Deutschland kommenden Bus torkelt, die Freundinnen der Mutter, die
im neuen Land ehrgeizig und habgierig werden . . .
Grossartige Coda
Je weiter man liest, desto farbiger und anschaulicher
wird das Mosaik, und wer bis zum Ende durchgehalten hat, steht vor
dem Wunder der letzten 15 Seiten, auf denen der Blick pl�tzlich
klar wird und die Themen des Buches wie in einer Coda nochmals aufgenommen
und zur klaren Erkenntnis verdichtet werden. Der "Sommer der
letzten Umarmung" ist angebrochen, "die Klarheit der Bilder
lebt unbeschirmt in einem langbewohnten Zimmer", und auf einmal
weiss Jelena, dass es der Abschied war, dank dem sie all die Bilder
zwischen der ersten Stunde ihrer Erinnerung und dem endg�ltigen
Ende ihrer Kindheit zu evozieren vermochte. "Er ist der grosse
Bruder der Zeit, er ist der Segen der ersten und letzten Stunde.
Der Abschied ist ein Wort vom Beginn und vom Ende, er ist der Spieler
der inneren Stunde."
Staunend und bewundernd erkennen wir so am Ende
dieses ungew�hnlichen Buches, dass es nichts anderes als die Trauer
�ber die Verg�nglichkeit, die Trauer �ber das Einmalige, Nichtwiederbringliche
der Kindheit war, die uns 227 ber�ckend-irritierende Seiten lang
das Tor zu einer verlorenen Wunderwelt offen gehalten hat.
[i] Das Buch Marica Bodrozic: "Der Spieler
der inneren Stunde". Roman. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main.
227 S., Fr. 30.80.
Link na original �lanka u "Der Bund":
http://www.espace.ch/artikel_99821.html
Marica Bodro�i�: Der Spieler der inneren Stunde,
227 stranica,
Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2005, EUR 16,90
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