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Dragica Raj�i� u poljskom knji�evnom �asopisu LITERACIJE

U Poljskoj je ovih dana izi�la iz tiska knjiga u kojoj je predstavljena �vicarska lirika na poljskom jeziku. U izboru �vicarskih pjesnika na�la se i pjesnikinja Dragica Raj�i�, Hrvatica koja pi�e na njema�kom jeziku. Tim povodom je poljski knji�evni �asopis LITERACIJE (br. 1, 2007) objavio interview s Dragicom Raj�i� kojega je vodila Isabelle Vonlanthen. Ovaj zanimljivi razgovor, u kojem progovara ne samo pjesni�ka nego i hrvatska du�a, donosimo ovdje u originalu.

"Ein St�ck Heimat unter Gleichen"

Dragica Raj�i� wurde 1959 in Split, Kroatien geboren. Noch im Gymnasium in Split ver�ffentlichte sie Gedichte und Kurzprosa. 1978 kam sie zum ersten Mal - auf Umwegen �ber Australien und Deutschland - in die Schweiz. Sie begann, Texte auch in deutscher Sprache zu schreiben, ver�ffentlichte in Literaturzeitschriften und Anthologien. Den Lebensunterhalt f�r sich und ihre Kinder verdiente sie als Putzfrau, B�glerin, Heimarbeiterin. 1986 erschien ihr erster Gedichtband auf deutsch, Halbgedichte einer Gastfrau. Nach ihrer R�ckkehr nach Kroatien 1988 gr�ndete sie dort die Zeitung "Glas Kastela" und arbeitete als Journalistin, bevor sie 1991, nach dem Ausbruch des Krieges in Kroatien, ein zweites Mal in die Schweiz kam. Sie ver�ffentlichte weitere B�cher, widmete sich humanit�rer Arbeit und �ffentlichkeitsarbeit �ber den Krieg in Kroatien, war 5 Jahre Zeitungsredaktorin. Sie wurde u.a. mit dem Adalbert-von-Chamisso-Preis und dem Lyrikpreis Meran ausgezeichnet. Sie ist heute als freie Autorin und soziokulturelle Animatorin in Z�rich t�tig (wo sie Projekte mit jugendlichen Migranten durchf�hrt) und ist Mitglied im Stiftungsrat der Schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia.

Dragica Raj�i� schreibt in einem Deutsch, das man landl�ufig als "fehlerhaft" bezeichnen w�rde. L�sst man sich jedoch auf diese besondere Sprache ein, so erm�glichen die W�rter und Wendungen gerade durch ihr sprachliches Oszillieren unerwartete Assoziationen und er�ffnen neue Varianten der Sinnbildung. Auch im Inhalt findet eine Art Verfremdung statt: Der Blick von aussen deckt Seiten der Schweizer Realit�t auf, die ansonsten wenig beachtet und literarisch kaum verarbeitet werden. Das Schlaglicht auf das Gastland f�llt dann oft grell aus, manchmal auch ironisch. Dass dabei auch kritische T�ne entstehen (m�ssen), versteht sich beinahe von selbst: Die "fehlerhafte" Sprache trifft paradoxerweise sehr genau und sicher. Der prek�re Status der Gastarbeiterin und Ausl�nderin wird zum Thema, versch�rft noch durch das Erlebnis des Krieges im Heimatland in den 90er Jahren.

Isabelle Vonlanthen: Was verstehst du unter dem Begriff "Heimat" - in Bezug auf dein Herkunftsland, und in bezug auf die Schweiz? Insgesamt lebst du jetzt schon �ber 25 Jahre hier - wie verlief deine "Heimischmachung"?

Dragica Raj�i� : Heimat hatte im deutschen Sprachgebrauch noch bis vor kurzem einen negativ-konservativen Beigeschmack. Heute ist es wieder grosse Mode geworden, �ber die Heimat zu reflektieren, zu debattieren. Heimat zu beschw�ren oder sich ihr zu entsagen. In einem Gedicht habe ich einmal festgehalten, dass man der Heimat nicht entkommen kann, auch wenn eine gewisse Entfernung die Sehnsucht nur noch vergr�ssert oder die Vorhandenheit der Heimat sie unsichtbar macht. Heimat hat etwas mit Gef�hlen und Ger�uschen, mit Erkennen zu tun - mit dem Erkennen der eigenen Identit�t durch die W�rme anderer Menschen. Heimat ist auch Architektur, Bilder, Linien des Horizontes, Zeit, welche uns mit Orten verbindet, eine lange Zeit.

Mein Herkunftsland Kroatien gibt es erst 16 Jahre, das ist eine kurze, sehr kurze Zeitspanne. Ich habe diese Zeit im Ausland verbracht, meine Br�der k�mpften gegen die serbische Besatzung, und ich trank Cappuccino in St. Gallen! Zu Heimat f�llt mir auch die Kindheit ein, eine Kindheit im Einparteienstaat Jugoslawien. Die Eltern kriegstraumatisiert, wir hatten genug zu essen, sollten den Weg in den Kommunismus betreten - Menschen als Pfand f�r die Zukunft. Meinen Kindern in der Schweiz versuche ich das Unerkl�rliche zu erkl�ren, das die zwei Ideologien Faschismus und Kommunismus des 20. Jahrhunderts in das Ged�chtnis ihrer Grosseltern eingebrannt haben wie Folter.

Die Schweiz ist f�r mich: eine Insel, eine Postkarte, ein sich Ausruhen in Normalit�t, eine m�gliche L�sung. Ein unerh�rtes Gl�ck, welches die Schweizer mit Flei� zur�ckckzahlen und mit Angst vor Europa.

Kannst du kurz deine ersten Eindr�cke von der Schweiz erz�hlen? Wie haben sie sich mit der Zeit ge�ndert? Wie war f�r dich das Leben in den 70er- und 80er-Jahren, unter anderem als Gastarbeiterin, wie ist es jetzt?

Den Film zur�ckspulen, wie kann ich das erz�hlen... Ich kam als junges M�dchen das erste Mal in die Schweiz, hatte kleine Kinder, keine Freunde. Die �ussere Sch�nheit der Schweiz betr�bte mich, ich wollte ein anderes Leben leben. Die Schweizer k�nnen insgesamt wenig sichtbare Freude zeigen - Singen, Tanzen, Lachen, absurde Witze machen, das vermisste ich alles. Auch das Essen, B�cher, das Meer. Die Lebensumst�nde von Ausl�ndern wie ich es war waren schwer - dieses Leben nicht im JETZT, sondern morgen, dieses Vom-Mund-Absparen erinnerte mich an meine Eltern, welche auch alles auf morgen verschoben hatten. Ich wusste nicht, wie Demokratie funktioniert, hatte keinen Sprachkurs und keinen Land-Kennenlern-Kurs, war meinen Landsleuten und ihren simplen Erkl�rungen �berlassen. Dann kam �ber Nacht mein Traum von ersten Buch, aber damit auch die tr�gerische Etikette an mir. Ich muss zur�ck gehen, dachte ich, um mein Leben zu finden.

Ver�ndert hat mich der Krieg, krank gemacht, fragil, unsicher, immun gegen gro�es Wissen. Aber auch mutiger, im Jetzt zu leben und Aktivit�t und Schreiben zu vereinen. Die Schweiz nach der R�ckkehr war mir vertraut, es war ruhig, ich hatte Freundinnen gefunden, das machte den Unterschied aus. Inzwischen bin ich geschieden, habe in der Schweiz studiert, meine Kinder sind erwachsen und unser ganzes Leben ist auf die Schweiz ausgerichtet. Darum ist auch die Schweiz heute kein grosses Thema mehr, es ist selbstverst�ndlicher geworden. Was sich ge�ndert hat ist aber, dass nach dem Krieg in Ex-Jugoslawien die Stimmung gegen alle Menschen von dort sich verschlechtert hat, die sogenannten "Jugos" sind S�ndenb�cke f�r alles. Das waren fr�her eher die Tamilen, oder Italiener. Immer sind zudem M�nner gemeint, wenn auf Integration die Rede kommt. Frauen passen sich wahrscheinlich den Realit�ten etwas einfacher an. Heute betrachte ich die Schweiz als Teil meiner Vergangenheit und meine Gegenwart. Liebeserkl�rungen an das eigene Land geben nur Emigranten ab, darum mache ich dann aus der Entfernung in den USA sicher eine Liebeserkl�rung an die Schweiz. Menschen sind sehr seltsam ...

Du hast zuerst auf kroatisch, dann relativ schnell auch auf deutsch publiziert. War das ein schleichender �bergang, oder war es ein konkreter Entschluss?

Das hat sich einfach so ergeben - ich habe schon immer geschrieben, hatte vor der Ausreise in die Schweiz in Kroatien bereits ver�ffentlicht, und in der Schweiz schrieb ich einfach weiter. Zuerst waren das Gedichte auf kroatisch, �ber das Gastarbeiterleben hier in der Schweiz, die in Kroatien ver�ffentlicht worden sind. Dann wollte ich, dass diese Gedichte auch in der Schweiz gelesen werden k�nnen, ich �bersetzte ein paar davon ins Deutsche, dann kamen mehr dazu. Sp�ter begann ich direkt auf deutsch zu schreiben.

Schreibst du auch immer noch kroatisch?

Nein. Nat�rlich spreche ich mit meiner Familie kroatisch, seit ein paar Jahren schreibe ich auch wieder kroatisch, aber nicht im eigentlich Sinne Literarisches. Literatur kann ICH ja eigentlich immer nur in der Sprache schreiben, die MICH umgibt, in der Literaturkultur, in den ICH lebe. Sprachaneignung ist ja immer Erosion und Eroberung gleichzeitig, man eignet sich die neue Sprache an und die alte geht dabei ein bisschen versch�ttet. Ich m�chte wieder auf kroatisch ver�ffentlichen, diese literarische Sprache neu errobern -auch akustisch und lesend kennenlernen - aber das wird sicher nicht die Heimatverlustlyrik meiner Landsleute sein, die interessiert mich nicht.

Du schreibst deine Gedichte und Prosa in einem sehr eigenwilligen Deutsch - mit Fehlern in Orthographie und Grammatik, die du bewusst nicht verbesserst. Ist dies f�r dich auch eine Chance, etwas zu sagen, was du anders so nicht sagen k�nntest? Du hast einmal gesagt, es sei eine "Sprache welche mich sch�tzt und abgrenzt, Dinge wie eine Art Klauns zu sagen", "eine Narrenfreiheit".

Hm, das w�rde ich so nicht mehr sagen, Narrenfreiheit.... Ja, ich missachte bewusst die Orthographie, ich will, dass man sofort merkt, dass ich fremd bin, will die Leute irritieren, �rgern, provozieren. Aber die poetologischen Mittel interessieren mich mehr als die Korrektheit oder Fehler der Sprache - am Schreiben in der fremden Sprache interessiert mich, ob das, was ich zu sagen habe, die poetologischen Mittel, die ich anwende, in beiden Sprachen funktionieren. Ob man mich auch auf deutsch versteht, das f�r mich eine reduzierte Sprache ist, die ich mir von der Strasse, aus dem Fernsehen, im Gespr�ch angeeignet habe.

Vor allem in deinen Gedichten tun sich oft neue, ungewohnte Bilder auf - ist die Poesie mit ihrer Betonung des Bildlichen, Sprachschaffenden, Anders-Gesagten f�r dein Schreiben besonders geeignet?

Poesie ist ja eigentlich immer eine fremde Sprache - in dem Sinne nein. Aber, und das wird mir gerade jetzt bewusst, ich habe das Geschenk einer anderen Sprache, einer anderen Poesie - der kroatischen. Wahrscheinlich nehme ich diese poetischen Bilder von dort - hier sind sie ungewohnt, fremd, dort aber sind sie normal. Es ist also keine erfinderische M�he, alles ist schon vorhanden.

Leben in einem fremden Land, Schreiben in einer neuen Sprache - oft wird deine Literatur vor allem auf dieses Thema konzentriert, reduziert. Magst du �berhaupt noch dar�ber reden? St�rt dich das?

Ja, dieses Fremdsein ist sehr oft ein Thema. Nat�rlich gibt es hier ein grundlegendes Missverst�ndnis: Der Fremde m�chte immer ein Einheimischer sein, f�r andere ist er aber gerade als Fremder interessant. Wo der Fremde sich als Subjekt �ussert, misstraut man seinen �usserungen. Man erwartet von ihm Vorgeschriebenes. Als Fremder wirst du mit Bildern und Stereotypen konfrontiert, an die du dich dann pl�tzlich anpasst, man tr�gt gewisse Vorstellungen an dich heran, die du dann �bernimmst. In Kroatien galt ich als scheu und zur�ckgezogen, hier bin ich meistens die impulsive Dragica. Die Frage ist - wie sehr repr�sentieren wir, wie viel Verantwortung hat der Fremde seinem Land gegen�ber?

Als mein erster Gedichtband in der Schweiz, Halbgedichte einer Gastfrau, herauskam, war das ein Desaster. Es war ein Desaster, weil ich Erfolg hatte, und weil ich nicht darauf vorbereitet war - ich hatte noch keine Erfahrung mit dem Kulturbetrieb, ich wusste nicht, wie ich aufgenommen werden w�rde. Ich wurde sofort als die schreibende Gastarbeiterin aufgenommen und verkauft - ein Etikett, das mir bis heute anhaftet, nach dem Motto: "aus einer schlechten Lebenssituation entsteht Literatur". Ich habe mich dagegen gewehrt, ich habe noch Zeitungsartikel aus der Zeit, wo ich zitiert werde mit dem Satz: "Ich bin kein exotisches Tier!" Aber gerade k�rzlich hatte ich eine Lesung, und da hat mich der Moderator mit den Worten vorgestellt: "Sie arbeitet hier als Putzfrau." Dieses Bild ist geblieben.

Ein h�ufiges Thema in Deinen Gedichten ist der Literaturbetrieb, den du ironisch und mit Distanz schilderst. Versuchst Du, dich nicht vereinnahmen zu lassen, dich nicht zu sehr anzupassen - oder muss man halt doch Teil dieses Betriebes sein, um wahrgenommen zu werden?

Nein, muss man nicht - man bekommt, wie auch immer, einen Stempel. Als mein erster Lyrikband von der Presse so aufgenommen wurde, wie das halt war, dachte ich - wenn schon die Presse so �ber mich schreibt, dann werden doch die Dichter das Metier besser kennen und nicht mein Thema mit mir verwechseln. Und was ich dann erlebt habe war, dass die Wahrnehmung der einheimischen Dichter gegen�ber dem fremden Dichter doch auch wieder �ber das Thema passiert. Und das war schon eine Entt�uschung, dass ich nicht als gleichwertige Kollegin, sondern wieder auch als Exotin empfangen worden bin - schon eine Art Konkurrenz, aber nicht direkte Konkurrenz im Kampf um Stellungen im literarischen Betrieb, sondern als Aussenseiterin. Und wahrscheinlich erhoffte ich mir ein St�ck Heimat unter Gleichen zu finden, durch unsere Aus�bung eines seelenverwandten Berufs. Aber es passierte oft, dass man gesagt hat - ach, du bist die Dragica.. Ich wusste jeweils nicht, was heisst die Dragica eigentlich, die Dragica das ist etwas Anderes, Fremdes. Und dadurch habe ich nat�rlich zur�ckgeschlagen - ja, ich bin die Dragica, okay, wenn ihr mich so seht, dann bin ich halt so.Ich habe mich an das Bild angepasst, das man von mir hatte.

Hat sich das mittlerweile ge�ndert? Siehst du dich als Teil des Schweizer Literaturbetriebs? Legst du Wert auf diese Zugeh�rigkeit?

Nein, das ist mir sicher nicht sehr wichtig, Teil der Schweizer Literatur zu sein. Ich denke schon lange nicht mehr in diesen Kategorien - das ist vorbei, das hatte auch etwas mit Jugend zu tun, dieser Elan, wie m�chte ich leben, wie m�chte ich schreiben, hat sich durch die Lebensumst�nde so sehr ver�ndert... oder doch, ich m�chte schon, dass ich auch ein Teil der kroatischen Literatur w�re, aber daf�r ist es jetzt etwas sp�t. Es w�re sch�n, wieder ein Ankommen irgendwo.

Oder ich m�chte noch immer, wie damals als ich angefangen habe, als Dichterin, ohne diese nationale Vorzeichen, nicht als grosse Dichterin, aber wenigstens als Dichterin gelten - mit einer besonderen Art, die Welt zu sehen. Das ich als ich den Menschen etwas vermittle, was f�r alle gleich ist, was Erfahrung als Mensch ist. Wobei, jetzt merke ich, obwohl ich so tue, als ob es mich nicht schmerzt... Eigentlich k�nnte ich das auf zwei Arten sehen, ich kann sagen: Okay, ich wollte immer Schriftstellerin sein, jetzt bin ich halt eine, aber eine andere Schriftstellerin. Das ist okay, ich bekomme sehr viel Aufmerksamkeit, trotz dieser T�uschung, dass ich keine Schriftstellerin sei, sondern nur so ein schweres Leben habe, das ich aufgeschrieben habe. Aber so ist es nicht. Auch wenn ich nach Kroatien komme und meine Eltern sagen, unsere Tochter ist Schriftstellerin - sie k�nnen mich nicht einmal lesen. Das ist irgendwie schleierhaft - dass die Landsleute sagen, ich habe meine Muttersprache verraten, ich bin keine richtige Patriotin. Dass die Schweizer sagen - wie, zur Schweizer Literatur? Sie kann nicht einmal Deutsch.

Das heisst, du bist in zwei Literaturen -

Aber nirgendwo. Ich erhoffe mir jetzt - ich �berleg das schon lange - dass ich mich in einer dritten Sprache versuchen kann, das w�re Englisch. (Dragica Raj�i� wird mit einem Schriftstellerstipendium ab dem Herbst ein Jahr in Lexington, Kentucky verbringen.) Es geht von Anfang wieder um dasselbe - zu pr�fen, ob meine dichterische Kraft tr�gt durch alle Sprachen, und nicht nur wegen der Situation. Es ist wie ein Experiment, sich immer wieder beweisen zu wollen, ich habe in mir etwas, was ich, nur ich ausdr�cken kann, in welcher Sprache auch immer. Und - durch eine andere Sprache vergr�ssert man sich, ver�ndert man sich, man wird auch unsicherer - ich will mich wieder von einer Sprache verunsichern lassen. Diese Hoffnung, oder es ist eher ein Wiederholungszwang. Einige Zeit habe ich �berlegt, ob ich nach Biel ziehe, in den franz�sischen Teil der Schweiz.. Und jetzt, wie durch einen Traum, hat sich das mit Amerika ergeben.

Ich habe nicht die Illusion, dass ich jetzt eine grossartige, englisch oder amerikanisch schreibende Autorin werde. Es geht mir eigentlich nur um ein Experiment, die Selbstverst�ndlichkeit auch dieser Stellung hier in der Schweiz, das Sich-Beheimaten wegzulassen, mir zu beweisen, dass Identit�ten, meine Identit�t nicht nur ein Resultat von Zuf�llen ist, und wenn schon, dann kann ich immer weitere Zuf�lle herbeif�hren (lacht). Zu sehen, wie weit kann ich mich biegen, und was macht das Leben, die Umgebung mit mir. Und um gleichzubleiben. Meine einzige Gleichheit in mir ist es, dass ich nichts anderes kenne als Literatur. Dass ich gar nicht leben kann, ohne literarisch t�tig zu sein.

Seit zwei Jahren bist Mitglied des Stiftungsrates der Pro Helvetia (unabh�ngige Schweizerische Kulturstiftung), ber�tst die Pro Helvetia bei Projektgesuchen und eigenen Unternehmungen. Ist die Tatsache, dass du als erste Ausl�nderin dort Mitglied bist, ein Zeichen, in der Schweiz angekommen zu sein? Eine Erfolgsgeschichte?

(Lacht) Das sind so diese Paradoxe, je weniger einer sich M�he gibt, ins Zentrum zu kommen, umso schneller ist er dort... Ich glaube nie, dass die Rolle der Kunst im Zentrum angesiedelt ist - das Zentrum benutzt zwar Kunst, konsumiert sie auch, aber Ver�nderung erscheint immer von Peripherie her, von einem Mangel, und in dem Moment, wo man als K�nstler sich nicht ungeheuer bem�ht, in dieses Zentrum zu kommen. Ich sehe da auch eine Gefahr, dass man sich nicht selber um Ruhm bem�ht, dass man sich selber nicht mit heiligem Wasser bespritzt und sagt, juhui, jetzt hab ichs geschafft.

Die Arbeit macht Spass, ich lerne viele interessante Menschen kennen, die Diskussionen sind spannend. Andere Meinungen zu akzeptieren ist nicht gerade eine St�rke von K�nstlern, die Empfindlichkeiten sind sehr gross, es ist auch eine Auseinandersetzung mit der Realit�t, mit Kultur,Kunst Geld, Politik, der Welt. Ich bringe den Blick vom Osten, den die Pro Helvetia nicht hat, ich rede �ber Erfahrungen in einem anderen Land, in dem Kultur einen viel gr�sseren Stellenwart h�tte als Motor f�r Ver�nderungen . In einem so reichen Land.

Du meinst, Kultur hat in anderen, �rmeren L�ndern einen gr�sseren Stellenwert, aber weniger Mittel zur Verf�gung -

Ja, genau. Kultur in allen exkommunistischen L�ndern bedeutet auch eine Art der Demokratisierung, Dass in einer Demokratie die Kultur wie Sahne auf der Torte ist ist f�r mich ein Trugschluss. Weil in dem Moment, wo man Kultur und kulturelle Differenz nicht mehr pflegt, wird ein Land nur ein Disneyland. Gerde die Schweiz mit ihren vier Sprachen, als Willensnation, ist sich zwar dieser Differenziertheit bewusst. Aber dass sie nicht f�r ewig geschaffen ist und dass sie auch Geld kostet, auch in Zukunft, das ist wahrscheinlich nicht so bewusst, und wie kostbar das ist! Als Ausl�nder muss ich sagen, dieses Wissen, dass es zwei Religionen gibt, die friedlich miteinander leben k�nnen, dass es vier Sprachen gibt, die sich miteinander durch Dialog geeinigt haben, wie jeder etwas gewinnen kann (trotz allen Empfindlichkeiten bei Welschen, Tessinern), dass all das funktioniert, nicht nur dank ausl�ndischen Konten und Bunkern von Banken, wie mir in meiner Jugend erkl�rt wurde, sondern auch dank einem ausgekl�gelten System, das wissen die Schweizer glaub ich nicht immer zu sch�tzen, weil sie daf�r blind sind. Da muss ich als Ausl�nderin ausdr�cklich sagen - ich finde das gut und da muss man auch Geld investieren. Nicht nur in Migranten, das ist auch wichtig, es leben ja eineundhalb Million Ausl�nder in der Schweiz, die die Schweiz auch kulturell bereichern - Schweizer Kultur hat nicht immer einen Schweizer Pass, es ist ein transkultureller Raum. Ich sehe von aussen wahrscheinlich doch einige Sachen anders, und da finde ich es gut, dass ich etwas beitragen kann.

Du hast einen sehr konkreten Beruf, arbeitest als soziokulturelle Animatorin mit ausl�ndischen Jugendlichen zusammen. Auch deine Gedichte sind sehr konkret, aus dem Leben gegriffen.

Eigentlich bin ich so etwas von nicht konkret und so tr�umerisch - ich habe mit zw�lf Camus gelesen. Ich muss diese Br�cke schaffen, zwischen dem, was die B�cher sagen, und zwischen dem, was das Leben ist, deshalb konkretisiere ich in meinen Gedichten Fragen, die h�chst philosophisch sind. Oder tue sie so �bermitteln, dass sie einfach scheinen, dabei sind es Grundfragen: Leben, Liebe, Tod. Was noch? Nichts. Das Konkrete im Leben, auch meine Kochwut, meine Begeisterungen, wenn mein Bruder ein Bild malt, wenn irgendetwas Konkretes entsteht - es ist immer eine Best�tigung des Lebens f�r mich, sich vergewissern, dass es gegenst�ndlich ist, gerade sich angesichts dieser Flut von Gelesenem und Gedachtem versichern, dass Gedanken auch als Konkretes gelten. Das Thema, das mich immer besch�ftigt, ist eigentlich, was von den Ideen, Werten, alles was unser theoretisches Wissen anbelangt, �berhaupt verwirklicht werden kann? Wie weit leben wir nach den Werten, welche f�r uns erstrebenswert sind.

Die Themen in Deinen Gedichten sind vielf�ltig - am Anfang war da unter anderem das Gastarbeiterthema, als du dann das zweite Mal in die Schweiz kamst, war der Krieg ein grosses Thema. Wenn man sich diese Themen anschaut, dann schreibst du doch eigentlich politische Literatur, oder sicher engagierte Literatur?

(Z�gert) Ja, sicher engagiert - engagiert in dem Sinne, dass. hmm. Es wird ja viel geredet �ber die sogenannte engagierte Literatur, diese Diskussion kennen wir ja seit den siebziger Jahren. Ich werde jetzt sicher nicht sagen, dass ich zu diesen Leuten geh�re, die sagen, zuerst kommt das Engagement, dann die Literatur. Sondern ich hoffe, dass meine Literatur doch auch auf Ungerechtigkeiten im Leben aufmerksam macht - und das ist gar nicht mehr modern. Aber ich schreibe sicher nicht in dem Sinne, dass die Literatur Werkzeug ist f�r Ver�nderung. Dass man die schw�chere Stelle oder das Leben wie es ist - und es ist halt nicht gerecht - zeigt, und nat�rlich auch darauf aufmerksam macht, das mache ich sicher. Ich bin aber sicher kein politischer Agitator, der Literatur nur benutzt, um gewisse Leute zu erreichen und gewisse Ziele durchzusetzen.

Du schreibst ja in deinen Gedichten oft �ber Schreiben, �ber Literatur. Was ist Schreiben f�r Dich? Weshalb musst du schreiben?

Jetzt muss ich nat�rlich wieder Rilke zitieren, ein Buch, das ich gerade zu Weihnachten erhalten habe: "Wie ist es m�glich zu leben, wenn doch die Elemente dieses Lebens uns v�llig unfasslich sind, wenn wir immerfort im Lieben unzul�nglich, im Entschliessen unsicher und dem Tode gegen�ber unf�hig sind, wie ist es m�glich, da zu sein?" Und aus dieser ganz simplen Frage, wie ist es m�glich, da zu sein, gibt mir die Literatur immer neue Fragen oder Antworten. Und zu m zweiten, ich weiss gar nicht mehr, wie ist es m�glich, anders da zu sein, oder einen Halt oder eine T�tigkeit zu haben, welche einen zwar verunsichert, aber trotzdem am Leben erh�lt. Ich denke immer wieder, ich muss das noch sagen, was ich wirklich in mir trage, und das tut auch das Leben verl�ngern. Ob das jetzt wirklich notwendig ist bei so vielen B�chern, dass man noch selber seinen Senf dazu gibt, ist eine andere Frage. Wieso schriebt man? Das Leben wird erfahren, und das muss auch mitgeteilt werden. Wieso m�ssen wir anderen mitteilen, was wir erfahren? Damit wir uns versichern, wo wir stehen. Wieso sehen wir Filme, wieso reden wir im Bus zusammen? Es muss doch ein Drang sein, wenn man schreibt, man muss sich vergewissern, auch wenn man dann bei vielen Schriftstellern kaum ein Selbstwertgef�hl oder nur das Gef�hl, willkommen zu sein auf der Erde, festzustellen ist. Und nat�rlich, durch das Schreiben vergewissert man sich seiner Berechtigung, �berhaupt zu sein. So ungef�hr, aber nicht nur (lacht). Nicht nur dem Leben zujubeln, immer auch die Schmerzen mitteilen.

Schreibst du gern?

R: Nein, es ist ein Leiden! (Lacht) Wenn mir Schreiben Spass machen w�rde, m�sste ich einen anderen Beruf ergreifen. Der einzige Spass ist es, dass ich frei bin, nicht zu schreiben, dass ich eine Brotarbeit habe, von der ich zwar fast nicht leben kann, aber dass ich mir sagen kann, ich schreibe wo ich will und wor�ber ich will. Also dieser Akt der Freiwilligkeit. Ich schreibe auch journalistisch, ich war 5 Jahre Journalistin, das ist dann vorgegeben: ich habe Fakten, ich weiss wor�ber, habe einen Abgabetermin, muss objektiv sein. Nat�rlich, wenn ich das mit literarischem Schrieben vergleiche, dann finde ich literarisches Schreiben tausendmal tiefer, echter und auch nicht gezwungen, politisch korrekt zu sein. Es hat einen Akt der Freiheit.


 

 


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