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SJENE LJUBAVNE BOLI

Pod tim naslovom se pojavio �lanak o jednoj mladoj hrvatskoj autorici iz Njema�ke. Jagoda Marini� je ro�ena 1977. godine u Waiblingenu u Njema�koj. Napisala je knjigu kojom je impresionirala ne samo velikoga njema�koga nakladnika Suhrkamp, nego i samog urednika kulture u NZZ dr. Martina Meyera. Knjiga je vjerojatno izvorno pisana njema�kim jezikom i tiskana je pod naslovom "Eigentlich ein Heiratsantrag". Geschichten. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2001. 126 str., Fr. 26.30. Knjigu preporu�ujemo svim Hrvatima, jer dr�imo da bi ovom mladom talentu valjalo dati sna�nu potporu. Ovdje prenosimo jako pozitivnu kritiku dr. Meyera iz NZZ od 29.3.2001, str. 65. (tn)


Lesezeichen

Schatten von Liebesweh

Geschichten von Jagoda Marinic

Woraus n�hrt sich die Liebe der Jugend? Aus Sehnsucht und Tr�umen. Wovor f�rchtet sie sich besonders? Vor dem Schmerz des Unverstehens. Wie geht sie damit um? Indem sie sich fleissig in sich selber verkriecht und in den Spiegeln der Einsamkeit ihr Ebenbild sucht - ich �rmste. �Er war gewohnt, zu erleben, das sp�rte man. Ich war gewohnt, zu sehnen, vielleicht sp�rte man das auch.� - So heisst es in einer dieser Geschichten, und wenn wir ehrlich sind, ist das noch nicht gar viel. Der junge Mann hat einen festen Schritt, sein Blick verr�t Begehren. Die junge Frau scheint davon angezogen, aber der Fremde st�rt ihren Rhythmus. Sie zieht sich zur�ck; das �Problem�, wie er's genannt hat, bleibt ungel�st. Daf�r kann sie in aller Ruhe nachdenken - und ein weniges dar�ber schreiben.

Worauf beruht die Macht der Worte? Auf dem Benennen. Was ist ihr Gewinn? Die Distanz. Wodurch wird sie gef�hrdet? Durch das Leben, das gleichwohl zerrt und reisst; das bedrohlich aufbrandet und die �Literatur� mit List unterl�uft. - So versteht es auch Jagoda Marinic. Die kroatisch-deutsche Autorin, geboren 1977 in Waiblingen, ist keine Naive, und ihre Texte sind selten schlicht. Sie erz�hlen, im Gegenteil, von dem alten Widerspruch zwischen Ich und Welt: dass die Ordnung der Gef�hle einer Chim�re gleicht - wenn wir noch meinen, alles sortiert, alles gegliedert zu haben, f�llt schon wieder das Chaos ein.

Oder sind es vor allem die jungen Frauen dieser Geschichten, die es so erfahren und erleiden wollen? Verletzliche Gesch�pfe auf der Suche nach �Identit�t�, immer sensibel, fast immer reflektiert. Die eine gequ�lt von Eifersucht, eine andere unf�hig, vergessen zu k�nnen. Von einer dritten heisst es: �Ich hatte Angst vor Entdeckern. Entdecker bewohnen selten, was sie entdecken, es liegt in ihrer Natur, dass sie weiterziehen, um mehr zu entdecken.� - Diese nun lebte einst auf einer kleinen Insel im Mittelmeer, unber�hrt von westlicher Kultur. Und was weiss sie von ihrer Kindheit? Dass sie sich f�rchtete, vor manchem; vor dem Blick der Leute, vor den M�nnern. Dass sie sich hingezogen f�hlte zu dem alten Josip, der nicht ihr Grossvater war. Dass sie Josip oft in seiner H�tte besuchte, w�hrend er auf seiner Fl�te spielte - er, kein Entdecker, sondern ein Greis, der schweigsam war und auf den Tod wartete. Endlich einmal keine Gefahr.


Es sind Monologe, Reflexionen, stille und unauff�llige Bekenntnisse, worin die M�dchen und Frauen hausen: gl�cklich-ungl�cklich mit sich selbst. Sie gehen einkaufen und geraten ins Staunen; erinnern sich an die Grossmutter und empfinden Z�rtlichkeit; begegnen einem Filmemacher und m�ssen zuletzt bemerken, dass ihm nur an ihrer Stimme gelegen war. Doch was sie im Milieu solcher Allt�glichkeiten und Zuf�lle auf eher unauff�llige Weise auszeichnet, ist die Gabe der Beobachtung. Deshalb, eigentlich, stellen sie jeweils ein Alter Ego der Autorin, denn Jagoda Marinic, die ein reines und souver�nes Deutsch zu schreiben vermag, kann sehen. Nicht die Stoffe machen ihre Geschichten, sondern die Capriccios der Wahrnehmung. Wie �eine nicht ganz so kleine alte Dame� im Glaskasten des Provinzkinos sitzt und Karten verkauft; wie der Regen vom Draussen ins Innere, ins Gem�t einzieht; wie der ungetreue Geliebte etwas pathetisch, etwas l�cherlich in den Armen der Betrogenen weint.

Vieles h�ngt ab von den Bewegungen der Prosa. Oder vielleicht k�nnte man's auch so sagen: Da im Durchschnittsleben so wenig �geschieht�, was der Verzweiflung und der Euphorie, des Ingrimms und der �wahren Liebe� wert w�re, suchen wir das Authentische in immer feineren Regungen. Da das erwartet �berw�ltigende meistens ausbleibt, findet es Ersatz im Ernst, den wir dem Beil�ufigen schenken. In den Meditationen dar�ber ger�t die Sprache in Fahrt. Sie pr�ft und verwirft, stockt und beschleunigt, sammelt ein und wiederholt - eine bis zur Unthematik geschrumpfte Melodie. �Nur hin und wieder �berkam sie ein gewisser �rger �ber ihre Kinder, schliesslich hatten sie und ihr Mann das ganze Leben daf�r gearbeitet, f�r das Haus, f�r die Kinder, und diese Tage, die nach dem ganzen Leben nun geblieben sind, h�tten sie ihr doch irgendwie lauter machen k�nnen, ger�uschvoller, geruchvoller.� Doch die Kinder sind fort; ihr Schweigen t�tet den Atem.

Und die Frauen haben es schwer, ob sie auf ihren Inseln im Mittelmeer ausgeharrt haben, wo das Leben auf andere Weise erstickt wird, oder ob sie, noch jung und sch�n und aufgekl�rt, in Deutschland ihre Wege, vor allem ihre Umwege gehen. Das denn ist, �ber die �existenziellen� Umst�nde hinaus, schon zu h�ren: dass die Liebe in Deutschland viel loser gekn�pft wird. Worauf gr�ndet sie? Auf dem Profit bis auf Widerruf. Woran soll sie leiden? Am Unwillen der M�nner, f�r etwas dauerhaft einzustehn. Sie, die Adepten des Z�gerns und Vergleichens, w�ren im Grunde das schwache Geschlecht, wor�ber allerdings Jagoda Marinic und ihre Gef�hrtinnen auch nicht froh sein m�gen.

Die l�ngste Geschichte des Bandes ist eine durchaus altmodische und zugleich raffiniert ausgek�hlte Liebesgeschichte. Dem absichtsvoll gewundenen Titel - �Ich w�nschte, er h�tte nie geredet davon, dass man nur eine lieben kann� - entspricht die Handlung: wie eine junge Frau wegzukommen versucht, von ihrer Mutter, von ihren Kindheitsmustern, von ihrem Freund. Sie sitzt im Zug, f�hrt kreuz und quer durch Deutschland, plant die Zerstreuung ihrer Vergangenheit - wie sie's nennt - und muss doch einsehen, dass dies nicht gelingt. Sie ist abh�ngig; immer noch von der Mutter, bald auch von dem Mann, dem sie auf einer ihrer Reisen begegnet ist. Besonderes Gewicht aber haben die B�cher. Darin, in den Romanen und Novellen, h�tte sich eine Art von Vorlage oder Pr�gung f�r ihr eigenes Erleben manifestiert, die Leserin w�re schon verstanden gewesen, bevor �berhaupt die Dramen ihrer Biographie sich in der Realit�t bewiesen h�tten.

Ein akzeptables, ein �sthetisches Schicksal: zu wissen, dass alles schon einmal war; dass Trauer und Schmerz, das Schluchzen und die Entt�uschung einer Spur folgen. Diesen Trost gew�hrt die Literatur. Sie �ist� der Text des Lebens, sie erz�hlt von den ewigen Wiederholungen und Konstellationen, und daraus begreift der gebildete Mensch, wie wenig originell in Wahrheit ist, was ihm jetzt und jetzt geschieht. Sie brauche, sagt die Frau, solchen Trost - �diese Zeilen von einer und einem, der eine heimliche Liebe beschrieben hat. So ist das. Entweder haben die Zeilen mich treffend beschrieben, oder ich verhalte mich treffend nach ihnen, ich weiss nicht, ich weiss nur, dass alles, was mir widerf�hrt, symbolisch zu werden hat. Am besten mystisch.�

Mystik? Ein Antidot gegen die Einsamkeit. Ein Medium der Bez�ge und Verweise gegen den b�sen Verdacht der Sinnlosigkeit. Doch das namenlose M�dchen meditiert weiter. Wie, wenn es doch so w�re, dass es Dinge gibt, die niemand zu greifen verm�chte? Gef�hle, die keinem Wort, keiner Sprache, keinem �Code� sich f�gen? Als sich die Beziehung zu dem Fremden im Zug allm�hlich entwickelt - erwartungsreich und wieder bedrohlich, verr�terisch innig -, wird die Unsicherheit bloss gr�sser. Was soll nun alles Symbolische, mit der Dichtung Verstandene helfen, da die Triebe und Stimmungen so r�cksichtslos dominieren? Selbst die Idee der Hoffnung macht krank: Sie verdeckt den spontanen Moment, den Genuss im Augenblick.

Man soll es anderseits nicht zu ernst nehmen, das Sinnieren einer sp�ten Adoleszenz. Die Schriftstellerin, die davon beteiligt und unbeteiligt berichten will, steht, wie es sich f�r die Literatur geh�rt, dar�ber. Ihrer poetischen Virtuosit�t des Gebens und Nehmens, der Beschleunigung und des gedankenschweren Largos, der Pointierung und der andeutenden Diskretion ist auch die Ironie nicht fremd. �Ich muss es wegschreiben�, l�sst sie die junge Frau einmal ausrufen. Eben dies geschieht; und obwohl die Heldin fortw�hrend mit Kopfgeburten und Erkenntniszweifeln ringt, geht sie - als Ich-Erz�hlerin - r�stig ans Werk. Den letzten Abschiedsbrief an David, den Geliebten, der's irgendwie nicht wert war, unterzeichnet sie stolz und kurz mit �Ich�.

Ich - ein prek�rer Zustand. So viel, immerhin, wird schon klar. Wenn es wahr ist, dass sich das Subjekt �ber seine Geschichten bestimmt, d�rften wir verstanden haben: Es sind f�r Jagoda Marinics Protagonistinnen fast immer die falschen Geschichten. Geschichten des Verlusts; Geschichten vom unbefriedigten Dasein; Geschichten der Angst. Kein Gef�hl wird so h�ufig genannt wie dieses - die Angst. Dem Leben nicht gewachsen zu sein, weil etwas fehlt, ein Mann, ein Kind, eine Resonanz durch Liebe. Dadurch dann, Angst vor sich selbst, vor der eigenen Person: Sie wartet und erwartet, statt einfach zu sein. - Man lese: �Der nie entladene Karren und das nie bestellte Feld�. Eine Frau f�hrt ihren Wagen, auf dem sich die Dinge t�rmen. Die Dinge dr�cken schwer, daneben liegt das Feld - die ganze Welt in urt�mlich schweigender Gleichg�ltigkeit.

Martin Meyer

Jagoda Marinic: Eigentlich ein Heiratsantrag. Geschichten. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2001. 126 S., Fr. 26.30.

Neue Z�rcher Zeitung, Ressort Feuilleton, 29. M�rz 2001, Nr.74, Seite 65

 

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